Seit diesem Jahr wird das Aktionsteam für das Elternhaus Göttingen durch neu hinzugekommene Handarbeiterinnen verstärkt. Dazu gibt es jetzt die Daueraktion „Kronkokenspenden“ mit zwei Spendenterminen im Jahr. Ehrenamtlich arbeiten ist toll, bekommt aber noch einmal einen anderen Wert, wenn man den Spendenempfänger kennen lernt. Bei uns sind das Elternhausbesuche. Zu allen Terminen war die Höchstteilnehmerzahl von 8 Personen angemeldet. Kurzfristige Erkrankungen ließen die Gruppen jedes Mal schrumpfen. Man besucht so eine Einrichtung nicht, wenn sich eine Erkältung anbahnt oder bereits da ist. Im Mai und Juni fuhren überwiegend neue Handarbeiterinnen, im August meine Familie aus Braunschweig und im September Spenderinnen v. Bäckerei Stübig u. eine neue Handarbeiterin. Dazu kamen vereinzelt langjährige Teammitglieder.
Wie beschreibt man vier Termine in akzeptabler Länge? Für mich eine echte Herausforderung!
Die Grundsanierung des Hauses, die dank Erbschaften und Unterstützung einer sehr kompetenten Architektin in knapp drei Jahren durchgeführt werden konnte, ist abgeschlossen. Alle sind begeistert von der Wohlfühlatmosphäre im ganzen Haus. Die Berichte über die Zusammenarbeit mit der Uniklinik, dem Kinderhospiz, Kimbu und allen anderen notwendigen Partnern zum Wohle der Familien bewegen sehr.
Das Elternhaus ist seit Monaten fast immer bis auf die Notzimmer (für Eltern, die evtl. nachts oder am Wochenende ankommen) voll belegt. Auch wenn für einige Eltern Betten auf den Stationen der Kinder zur Verfügung stehen, nutzen die Eltern doch lieber das Elternhaus. Hier ist ihnen Nachtruhe garantiert. Der Kontakt mit anderen Betroffenen im Haus hilft die eigene Situation besser zu ertragen.
Da ich jedes Jahr über Elternhausbesuche berichte, setze ich heute den Focus auf das Erleben mit betroffenen Familien.
An einem Termin lernten wir einen älteren Herrn aus Sachsenanhalt kennen. Sein inzwischen erwachsener Sohn wurde als Kind in der Uniklinik mehrfach am Herzen operiert und hat vor ein paar Monaten ein neues Herz bekommen. Leider schreitet die Heilung nicht wie gewünscht voran.
Also ist in einer Woche sein Vater im Elternhaus, in der anderen seine Mutter. Beide sind täglich viele Stunden bei ihrem Sohn. Am Wochenende kommt seine Frau mit den Kindern. Alle wollen ihm den Weg zurück ins Leben erleichtern.
Wir lernten einen dänischen Vater kennen, dessen Sohn beim Mountainbiken im Harz schwer gestürzt war. Er war der Ersthelferin sehr dankbar, denn die hatte seinem Sohn mit ihrem kompetenten Handeln nicht nur das Leben gerettet. Sogar die Milz des Jungen konnte erhalten werden. Kurios: die Mutter der Ersthelferin war mit uns im Elternhaus. Am selben Abend lernten wir eine junge Familie kennen, dessen Leben gerade an diesem Tag eine Wendung nahm. Das kleine Geschwisterkind drängte Monate zu früh auf diese Welt. Morgens hatte noch niemand damit gerechnet. Das Baby war nun da, die Mutter musste in der Klinik bleiben. Der Vater und die große Schwester waren „gestrandet“. Auf den ÖPNV angewiesen, war die Heimfahrt ein Problem. Da an diesem Abend Fr. Hildebrandt-Linne und Fr. Büchner für uns da waren, bot Fr. Hildebrandt-Linne an, Vater und Tochter nach Haus zu bringen. Deren Wohnort war nicht allzu weit von ihrem eigenen entfernt.
Beim Termin mit meiner Familie (von Beginn werde ich von meiner „Großfamilie“ niedersachsenweit in allen Bereichen unterstützt, allein das wäre einen Bericht extra wert) erfuhren wir von einem früh geborenen Mädchen, das den kleinsten Herzschrittmacher der Welt implantiert bekam. Zufällig lernte ich die Mutter kennen und unterhielt mich mit länger ihr. Dieses immense Glück in den Augen der Mutter werde ich nie vergessen! Braucht man noch mehr Motivation??
Zu unserem letzten Besuch im September waren wir nur eine Kleinstgruppe, die Informationen jedoch waren sehr groß. Viel wurde von dem Leben der Kinder auf der Krebsstation berichtet. Seit einigen Jahren gibt es die Aktion „Luftsprung“. Zu Coronazeiten wurden durch Mitmachaktionen auch hierfür Spenden gesammelt (wir waren natürlich auch dabei). Die Fachleute gehen an die Betten der Kinder und halten sie – je nach Möglichkeit – in Bewegung. Das kann ein leichtes Spiel mit einem Luftballon sein, aber auch schon mal fordernd aufbauende Bewegung. Die Kinderkrebs-
Station hat Spielzimmer und viel Platz für Bewegung. Den brauchen die Kinder dringend, sobald es ihnen etwas besser geht.
Das Elternhausteam hat inzwischen 8 Avatare angeschafft. Das sind kleine Roboter, die in der Schulklasse den Platz des kranken Kindes übernehmen. Das kranke Kind kann die Klasse sehen, wird selbst jedoch nicht gesehen. Meldet sich das kranke Kind, leuchtet der Kopf des Avatars. Somit können kranke Kinder weiterhin lernen. In der Klasse gibt es einen „Avararbeauftragten“. Das entsprechende Kind packt den Avatar beim Wechseln des Klassenraumes in einen Rucksack und nimmt ihn überall mit. Nach Schulschluss kommt der Avatar ins Sekretariat. Schließlich braucht er für den nächsten Tag wieder Energie! Ein betroffener Junge hatte seinem Avatar dieselbe Mütze verpasst, die er selbst trug.
Die Skulptur der Mutperlen im Garten wollte erklärt werden. Jedes krebskranke Kind erhält zu Beginn seiner Behandlung eine Kette. Auf diese werden je nach Behandlung Perlen aufgefädelt, z.B. für eine Spritze, Operation, Chemo usw.. Manche Ketten sind weit über 2 m lang. Die Kinder sind stolz auf ihre Ketten, da sie ihnen ihren Mut aufzeigen. Das ist enorm wichtig für die Kinder! Doch….mit wie viel Leid hängen diese Ketten zusammen?
In diesem Zusammenhang erhielt ich den „Knietzsche und der Kinderkrebs“. Hier wird kindgerecht erklärt, was Krebs ist und warum man daran erkranken kann. Auch der Weg der Behandlung mit Nebenwirkungen, die Wichtigkeit der Freunde kommen zu Wort. Den Knietzsche erhält man über die Kinderkrebsstiftung.![]()
An diesem Abend waren der Elternhausgarten, das Spielzimmer und die Küche gut besucht. Viele Kinder spielten draußen, einige im Spielzimmer. Wir konnten Familien sehen, die sich zusammengeschlossen haben. Häufig entstehen so neue Freundschaften. Den ganzen Abend über kamen immer wieder neue Eltern nach einem langen Kliniktag „nach Hause“. Wie gut, dass niemand von ihnen eine lange Fahrstrecke bewältigen musste.
Beim Rundgang durch das Haus fielen große und kleine Mobiles mit Kranichen auf. Auch hierzu gibt es eine Geschichte: eine junge Schwangere musste schon sehr früh in der Schwangerschaft in der Klinik liegen, durfte nicht aufstehen. Sie wusste, dass das Kind so lange wie möglich gehalten werden sollte, eine Garantie für ein gesundes Kind wollte ihr niemand geben. In so einer Zeit muss man sich beschäftigen. Also… bastelte sie Kraniche, weit über 1000 Stück. Kraniche sind das Symbol für Glück, und genau das brauchte sie. Heute ist sie Mutter einer gesunden Tochter. Die Kraniche haben ihr Glück gebracht und sollen es im Elternhaus weiter tun.
Seit meinem ersten Besuch im Elternhaus im Mai 2007 höre ich jedes Mal: man müsste noch viel mehr tun… Mit Kreativität und Durchhaltevermögen haben wir das bis heute geschafft. Bleibt mir die Unterstützung auch weiterhin so gut erhalten, denke ich sicher nicht ans Aufhören.
Karin Kolan
Elternhilfe Aktionscafes und Veranstaltungen zu Gunsten der Stiftung Elternhilfe für das krebskranke Kind Göttingen e.V.