Besuch Elternhaus 2014

In jedem Jahr besuchen einige Mitglieder des Aktionsteams für das Elternhaus Göttingen auch das Elternhaus.

Am 11.09.14 war es endlich so weit. Zwei neue und vier langjährige Mitglieder machten sich auf den Weg nach Göttingen.

Das schöne Spätsommerwetter ließ die Fahrt wie im Flug vergehen. Beim Auffahren auf den Parkplatz fiel sofort der freie Platz des abgebrannten Gerätehauses und Carports in´s Auge. Beide sollen durch Fertiggaragen ersetzt werden.

Das Elternhaus hat seit dem letzten Jahr einen sonnengelben Anstrich. Beim Eintreffen schien die Sonne auf das Haus – die Farbe lässt so richtig das Herz aufgehen. Dem Handwerker ist mit dieser Farbe ein Meisterstück gelungen. Später erfuhren die Besucher, dass der sonnengelbe Anstrich und der neue Sandkasten von der Aktion des NDR „Hand in Hand für Norddeutschland“ einer großen Spendenaktion über das Radio, finanziert wurden.

Im Elternhaus begrüßte Fr. Hildebrand-Linne die Gruppe in der gemütlichen Eingangshalle. Hier bewegten gerade die neuen Teammitglieder die vielen Fotos an den Wänden mit Kindern in vielen Situationen ihrer Krankheit, Kindern später zu Haus aber auch Kindern in ihrem Abschied. Dazu die Briefe der Eltern – mitnehmend, bewegend – kaum zu beschreiben. Die langjährigen Teammitglieder erkannten auch die neuen Fotos und Danksagungen und freuten sich über jedes Kind, das heute wieder gesund leben darf. Das Elternhaus beschäftigt 9 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon vier im psychosozialen Bereich, drei davon in Teilzeit, eine in Vollzeit. Das psychosoziale Team hat drei weibliche und einen männlichen Mitarbeiter. Gerade dieser Bereich ist wichtig, denn die Familien werden aus ihrem ganz normalen Leben abrupt herausgerissen, müssen organisatorisch, finanziell aber vor allem seelisch unwahrscheinlich viel verkraften. Da ist es wichtig, dass jederzeit jemand da ist, der diese Familien auffängt, zuhört, nachfragt, Probleme erkennt und bei der Lösung hilft.

Heute ist die Medizin schon so weit, dass von an Leukämie erkrankten Kindern 80 % geheilt werden. Dennoch gehen die Kinder durch eine sehr, sehr schwere Zeit mit langen Krankenhausaufenthalten, enormen Schmerzen und langen Zeiten des extremen Unwohlseins, Haarausfall und vielem mehr. Kein Vergleich mit den sonst zu ertragenden Krankheiten. Und die Familien leiden natürlich mit, weil sie dem Kind einfach die Schmerzen, das Leid nicht abnehmen können. Da ist es für Eltern und Kinder wichtig, kurze Auszeiten vom Leid zu erleben. Diese bietet das Elternhaus. Nicht nur im Elternhaus wohnende Angehörige können diese Auszeiten nutzen. Alle Kinder, die in der Uniklinik Göttingen behandelt werden, und deren Eltern können das Elternhaus für „krankenhausfreie“ Stunden nutzen. Sei es, um mit dem Kind allein eine Auszeit zu nehmen, sei es um mit mehreren Familienmitgliedern zusammen zu sein, einen Geburtstag zu feiern – oder einfach auch einmal jemanden zum Zuhören zu finden. In den letzten Monaten war das Schicksal einer jungen Familie sehr bewegend. Diese Familie hat Kinder im Alter von 7, 5, 4 Jahren und einen Säugling von wenigen Wochen. Von den 7-jährigen Zwillingen ist einer sehr schwer an Leukämie erkrankt. Die Mutter wohnt seit Anfang Dezember mit den Kindern im Elternhaus und kümmerte sich um ihre vier gesunden Kinder. Die Hilfe, die der kranke Sohn benötigte, konnte sie ihm nicht geben. Das Elternhausteam erkannte die Probleme sehr früh und sondierte die Hilfsmöglichkeiten. Für die Unterstützung durch die Familienhilfe ist ein langer Rechtsweg zu beschreiten. Das würde der Familie nicht helfen. Also wurde beraten und diskutiert und – eine Erziehungshelferin für 25 Wochenstunden eingestellt. So konnte und kann sich die Mutter intensiv um ihr krankes Kind kümmern. Die Erzieherin hat sich genau so intensiv mit den vier gesunden Kindern beschäftigt und den Zwillingsbruder auf die Einschulung, die jetzt erfolgt ist, vorbereitet. So eine tolle Hilfe ist nur möglich, wenn genügend Spenden eingehen.

In den letzten Wochen war das Elternhaus überwiegend ausgebucht, zeitweilig standen leider nicht genügend Zimmer zur Verfügung. Das ist dann für das Elternhausteam sehr, sehr bitter.

Von der Eingangshalle ging es weiter in das Spielzimmer. Auch hier warme Farben, viel Holz, eine Spielecke ins Grüne hineingebaut, wunderschönes Spielzeug und Kuscheltiere in allen Größen und Figuren. Die Besucher erfuhren, dass das Elternhaus für die kranken Kinder eine „pieksfreie Zone“ ist, Ärzte und Schwestern sie hier nicht behelligen werden. Das Spielzimmer wird immer sehr gut genutzt, in diesem Regensommer jedoch noch wesentlich mehr. Hier erfuhren die Besucher auch von einem weiteren schlimmen Schicksal. Im Sommer gab es einen LKW- Unfall auf der nahen Autobahn. Eigentlich nicht unbedingt etwas Ungewöhnliches. In diesem Fall jedoch war ein kleiner 8-jähriger Junge aus Hamburg der hauptsächlich Leid tragende. Der ist in den Ferien mit seinem Vater im Transporter mitgefahren. Er wollte nur das tun, was für Millionen Kinder ganz alltäglich und normal ist, er wollte mit seinem Vater zusammen sein. Das ist bei Fernfahrern nicht ganz so einfach, also durfte er mitfahren. Und bei dem Unfall trug der kleine Junge schwerste Verletzungen davon. Da lag er nun, in einer fremden Stadt auf der Intensivstation und seine Eltern konnten anfangs noch nicht zu ihm. Der Vater wurde auch verletzt, jedoch nicht so schwer. Bis die Mutter dann aus Hamburg nachkommen konnte, dauerte es auch noch einige Tage. Der kleine Junge hat noch einen langen Leidensweg vor sich bis er halbwegs wieder genesen ist. In dieser Zeit kann die Mutter mit den Geschwistern im Elternhaus wohnen. Weiter ging es bei dem Rundgang in´s Wohnzimmer. Hier mussten gleich mal die neuen Sitzmöbel ausprobiert werden. Sie sind urgemütlich, genau richtig für die Bewohner. Vom Wohnzimmer aus ist der Spielbereich mit den zu erneuernden Fallschutzplatten gut einsehbar. Das Aktionsteam konnte erkennen, dass die Spende des Kinder- und Sommerfestes hier gerade zum richtigen Zeitpunkt ankommt. Danach wurde das Jugendzimmer besucht, die „pieks- und elternfreie Zone“. Gerade für Jugendliche ist es wichtig, einmal unter sich zu sein. Das ist hier möglich. Nach dem Hauswirtschaftsraum, einem Zimmer und einer Wohnung ging es in den Werkraum. Der Werkraum steht für alle offen. Hier gibt es einmal im Monat einen Tag nur für Geschwisterkinder. Gerade Geschwisterkindern wird während der Krankheit extrem viel abverlangt. Darum sollen diese Kinder wenigstens einmal im Monat die wichtigste Person in der Familie sein.

Und dann kam die Gruppe im Besprechungsraum an. Die neuen Aktionsmitglieder waren begeistert von der Architektur und Ausstattung. Ein Rundanbau, der den Eindruck vermittelt, dass über einem die Sonne scheint. Ringsherum Fenster mit Blick ins Grüne. Einfach beeindruckend. Dieser Besprechungsraum steht den Bewohnern für Geburtstagsfeiern oder Zusammenkünfte zur Verfügung. Aber auch Familien, die nicht im Elternhaus wohnen, können diesen Raum nutzen. Die Klinik macht regen Gebrauch von dem Raum, indem sie Schulungen und Besprechungen hier durchführt. Ein Pfleger hat sich in Homöopathie weitergebildet und gibt dieses Wissen nun im Besprechungsraum an seine Kolleginnen und Kollegen und auch an das Elternhausteam weiter. Der Raum wird regelmäßig zum Treffen der Eltern Frühgeborener genutzt, aktuell sind mehrere betroffene Eltern von Säuglingen mit Herzfehlern hier. Auch der ambulante häusliche Kinderpflegedienst KIMBU nutzt diesen Raum.

Von KIMBU war dem Aktionsteam bislang bekannt, dass der Elternhilfeverein KIMBU in´s Leben gerufen und zu eigenständigem Wirken gebracht hat. Dieses Mal erfuhr das Team noch mehr. Der Sohn von einem Gründungsmitglied und bis heute Gründungsmitglied und bis heute Vorstandsmitglied des Elternhilfevereins, war sehr schwer erkrankt und musste anschließend zu Haus gepflegt werden.

Diese Pflege übernahm bis zu seinem Tod eine Krankenschwester ehrenamtlich. Dabei stellte das Vorstandsmitglied fest, dass diese Pflege besser auf Kinder bezogen und auch intensiver sein sollte. Also wurde KIMBU ins Leben gerufen. KIMBU hat heute 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und betreut ca. 40 Familien. Leider musste erst vor kurzem die Anschlusspflege eines Kindes, das im Elternhaus und bei KIMBU durch die Klinikzeit bekannt ist, abgelehnt werden. Der Grund: es gibt einfach zu wenige Fachkräfte!! Und das nicht nur bei KIMBU – auch auf den Kinderstationen könnten mehr Schwestern und Pfleger arbeiten, wenn es sie gäbe. Examinierte Krankenschwestern und Pfleger könnten durch eine Zusatzausbildung als Kinderkrankenpfleger/in auf den Kinderstationen oder bei KIMBU arbeiten.

Diese Information war für die Elternhausbesucher besonders schwer zu ertragen. Auf dem Weg zurück in die Eingangshalle ging es an älteren Fotogalerien vorbei. Viele der abgebildeten Säuglinge und Kleinkinder sind heute erwachsen. Es freut da sehr, zu erfahren, dass alle ihren Weg gemacht haben. Einige verabreden sich jährlich zu einem Adventsfrühstück im Elternhaus und legen ihre Vorsorgeuntersuchungstermine entsprechend. Eine andere Gruppe junger Erwachsener trifft sich jährlich im Elternhaus zum Grillen. Es ist für das Elternhausteam einfach nur schön zu sehen, wie gut es den damals so kranken Menschen heute geht.

Beim anschließenden kleinen Imbiß konnte die Gruppe auch Selam kennen lernen, deren Schicksal im Frühling 2013 bewegte. Selam kommt aus Eritrea und war sehr schlimm an Leukämie erkrankt. Da die Satzung der Elternhilfe die medizinische Versorgung einzelner Erkrankter untersagt, wurde eine große Spendenaktion, initiiert von den Vorstandsmitgliedern Harald Germandi und 0tfried Gericke , in Gang gebracht, die die Behandlungskosten für Selam aufgebracht hat. Heute geht es Selam gut, sie muss nur weiterhin nachbehandelt werden. Selam macht einen Intensiv-Deutschkurs und hat in einem Seniorenheim eine Arbeit gefunden. Jetzt arbeiten zu können, beflügelt Selam ganz besonders.

Frau Hildebrand-Linne erzählte auch von dem Ausflug mit den Eichsfeldern Bikern, den sie mit 8 Kindern an einem Wochenende machte. Die Kinder dürfen dann für gesamte Strecke von 150 km mitfahren, ein tolles Erlebnis. Die Eichsfelder Biker unterstützen das Elternhaus schon 16 lange Jahre.

Das Aktionsteam aus Goslar ist in diesem November genau halb so lange für das Elternhaus tätig, nämlich 8 Jahre. Und das ständig wachsende, sich immer wieder neu findende Aktionsteam ist weiterhin mit Begeisterung und Elan dabei.

Immer wieder werde ich gefragt, warum tust Du dir das an, das wird ja immer mehr Arbeit, immer mehr Einsatz?!

Eigentlich ist die Antwort ganz einfach: Schon nach unserem ersten Elternhausbesuch im Sommer 2007 war sich das damals sehr kleine Team einig: wir müssen noch viel mehr tun – hier ist Hilfe so wichtig! Bis heute hat sich nach jedem Kontakt mit dem Elternhaus und noch viel gravierender nach jedem Elternhausbesuch an diesem Eindruck, dieser Erkenntnis nichts geändert!!

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